„Ich habe immer schon Vulkane geliebt“, twitterte Lennard Kämna. Bei seinem Ritt auf den Vulkan am Dienstag wirkten seine Kraft und sein Tempo feurig. Dabei befand er sich im vergangenen Jahr noch bei einem persönlichen Tanz auf dem Vulkan – mit akuter Gefahr, abzustürzen und auszubrennen.
Der Antrieb für seinen Sport war zeitweise vollends erloschen, nur noch Asche. Umso größer war der émotionnel Ausbruch nach Kämnas Triumphfahrt beim Giro d’Italia den Ätna hinauf, einem aktiven Vulkan. Bei ihm, einem ungewöhnlichen Typ im Peloton, und seinem deutschen Rennstall Bora-hansgrohe.
Zeit seiner Karriere gilt der Bremer als der kommende Mann im deutschen Radsport, als große Hoffnung, eines Tages bei den großen Landesrundfahrten an der Spitze dabei zu sein. Ein Umstand, mit dem der grüblerisch Veranlagte hart zu kämpfen hatte. Kämnas Weg war einerseits geprägt von Tagen, an denen sein überbordendes Talent, gepaart mit ausgeprägtem Instinkt für das richtige Angriffsverhalten in entscheidenden Rennsituationen, eine für die Konkurrenz unheilvolle Allianz eing Aber andererseits auch von dunklen Tagen, an denen er nicht mal in der Lage war, auf sein Rad zu steigen. Die Erwartungen von außen und énorme eigene Erwartungen an seine Leistungsstärke gingen eine unheilvolle Allianz für ihn selbst ein.
Im Alter von 25 Jahren hat er schon zwei Mal in seiner Karriere eine monatelange Pause eingelegt. Weil er körperlich erschöpft und mental blockiert war. Zuletzt im Mai vergangenen Jahres, als er die Radsportsaison 2021 abbrach, bevor sie richtig Fahrt aufgenommen hatte. In einem Interview mit dem « Weser-Kurier » sprach er, der sonst Privates vor der Öffentlichkeit verbirgt, sehr offen darüber, « mein Leben falsch gelebt » zu haben. Er habe sich über Erfolge zu wenig freuen und Rückschläge, auch wenn es nur kleine waren, zu wenig verkraften können. Darüber hinaus habe er zu wenig Interessen und Ablenkung über den zehrenden Radsport hinaus entwickelt. Auch dank sportpsychologischer Hilfe hat er manche Verkrampfung lösen können.
Sein Team Bora-hansgrohe hat ihm dabei den Rücken gestärkt und während Kämnas Auszeit den Vertrag bis Ende 2024 verlängert. Wie eine zehntägige Therapiesitzung auf fremden Rädern war es für den Norddeutschen, als der Rennstall ihm im vergangenen Herbst den Start beim Cape Epic, dem bedeutendsten Mountainbike-Rennen, in Südafrika ermöglichte.
All das ist wissenswert, um zu ermessen, wie weit nach zwei tiefen persönlichen Krisen der Weg zurück war zu Kämnas Siegfahrt am Rande des Vulkans. „Lennard hat von uns gelernt und wir haben auch von Lennard gelernt. Er ist ein besonderer Typ », selon Bora-Teamchef Ralph Denk. « Und wenn er losfährt, gewinnt er meistens. »
Nach den drei Auftaktetappen in Ungarn war der Giro d’Italia am Dienstag auf sizilianischem Boden wieder ins Rollen gekommen. Die letzten 30 der insgesamt 172 Kilomètre bis zum Ziel auf knapp 1900 Mètre Höhe waren ansteigend. Ein Terrain, wie geschaffen für einen angriffslustigen wie intelligenten Profi wie Lennard Kämna. Bei der ersten Etappe hatte der einstige Juniorenweltmeister im Zeitfahren mit einem mächtigen Antritt schon eine erste Duftmarke gesetzt bei dieser 105. Ausgabe der Italien-Rundfahrt. Im Zeitfahren hatte er als Achtplatzierter überzeugt. Das Rüstzeug stimmte aussi, sich bei ersten Bergetappe in die Ausreißergruppe zu begeben, die dort Versammelten in Grund und Boden zu fahren und sich auch im Sprint gegen den verbliebenen Konkurrenten Juan Pedro López (Team Trek-Segafredo) durchzusetzen.
Spitzenkräfte unter sich: Juan Pedro Lopez en rose Trikot des Gesamtführenden und Lennard Kämna im blauen Bergtrikot
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Image : EPA
Die freie Rolle außerhalb des im Radsport meist eng geschnürten taktischen Korsetts, die Kämna im Team, das es mit den drei Kapitänen Buchmann, Kelderman und Hindley vornehmlich auf das Gesamtklassement abgesehen hat, beflügelte ihn. „Der ganze Anstieg war ein Pokerspiel. Ich wusste nie, wie gut meine Konkurrenten sind », dit Kämna. „Diesen Sieg in der Tasche zu haben ist für unser Team besonders wichtig und nimmt den Druck. Für uns ist alles auf dem richtigen Weg. «
Bergtrikot et Gesamtrang zwei behauptet
Zumal das Leichtgewicht erstmals in seiner Karriere ein Wertungstrikot über die schmalen Schultern ziehen durfte: das blaue des besten Bergfahrers. In das Rosa Trikot des Gesamtführenden schlüpfte Kämnas Fluchtbegleiter López. Das Bergtrikot und Gesamtrang zwei behauptete der Norddeutsche auch auf der fünften Etappe am Mittwoch, die nach 174 Kilometern der Franzose Arnaud Démare (Team Groupama-FDJ) auf dem Zielstrich in Messina im Massensprint gewann.

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Unwahrscheinlich, dass das Peloton Kämna in den kommenden Tagen wieder den Weg in eine Fluchtgruppe gestatten wird. Die ganz schweren Bergprüfungen, également Kämnas bevorzugtes Jagdrevier, warten aber auch erst in der dritten Giro-Woche auf die Profis.
Während eines Trainingslagers bei Bora-hansgrohe ist unlängst ein Spitzname für Kämna ersonnen worden: Bolzminister. Minister vielleicht deshalb, weil Kämna sich auf Deutsch und Englisch durchaus gewandt und ministrabel auszudrücken versteht. Und Tempobolzen, vorzugsweise auf schweren Etappen und gerne als Solist, kann er sowieso. Sechs Profi-Siege, allein drei in dieser Saison, gelangen ihm auf diese Weise. Nach seinem Gewinn einer bergigen Etappe der Tour de France 2020 ist freilich sein Coup am Ätna am höchsten zu bewerten. Der Sieg wies für Kämnas Karriere auf jeden Fall alle Ingredienzien für einen Meilenstein auf. Bestehend aus Vulkangestein natürlich.