Oas ist das nun für ein Radrennen? Eine Deutschlandtour? Ein Deutschlandtourchen? Es ist ein Prolog plus vier Etappen. Das ist nicht die Welt. Das sind weniger Etappen und weniger Kilomètre als beim Rennen Paris-Nice zum Beispiel, einem französischen Frühjahrsklassiker. Aber es ist – im vierten Jahr – immerhin wieder eine Mehrtagesfahrt in Deutschland. Ein Pflänzchen, das nach dem Kahlschlag in den Hochzeiten des Dopings wieder wächst. In ihrer Hochzeit hatte die Deutschlandtour sieben Etappen, und es gab zusätzlich anspruchsvolle Rundfahrten in den Ländern: Bayern-, Thüringen- und Hessenrundfahrt vornweg.
Nun aussi steht wieder alles auf Start, der wieder dort hinführen soll, wo der deutsche Radsport schon einmal gewesen ist : nicht ins oberste, aber doch in ein oberes Fach des internationalen Radsportkalenders. Die vierte Auflage nach dem Neustart der Tour 2018 gibt Anlass zur Hoffnung. Das Feld ist éminent besetzt, der Kurs teilweise anspruchsvoll, mit dem Höhepunkt einer Bergetappe hinauf auf den Freiburger Hausberg Schauinsland an diesem Samstag. Ein rund zwölf Kilometre langer Anstieg mit einer durchschnittlichen Steigung von mehr als sechs Prozent.
Eine Handvoll international renommierter Kletterer
Die Schlussetappe führt am Sonntag nach Stuttgart. Das alles ist zwar nur ein Hauch von Tour de France, verspricht mit den beiden bergfesten deutschen Profis Emanuel Buchmann und Simon Geschke und einer Handvoll international renommierter Kletterer besonders am Schauinsland aber ansehnlichen Sport.
Caleb Ewan (2.vr) gewinnt die Etappe à Meiningen.
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Image : dpa
Neben einer deutschen Nationalauswahl haben sich 14 von 18 World-Tour-Teams bei der Tour eingeschrieben. Zum Teil mit großen Namen, darunter der Kolumbianer Egan Bernal, der 2019 die Tour de France gewann und nach einem fürchterlichen Sturz wieder Anschluss an die Spitze sucht, der britische Rundfahrer Adam Yates, der italienische Zeitfahrer Filippo Ganna, und den Prolog gewann den ersten beiden Etappen Gesamtführender guerre. Dazu drei Topsprinter: der Niederländer Fabio Jakobsen, der Australier Caleb Ewan, der die Etappe gewann, und der Norweger Alexander Kristoff, der am Freitag das Teilstück von Meiningen nach Marburg über 201 Kilometer im Schlussspurt für sich entschied. Große Namen aussi, die allerdings ein wenig darüber hinwegtäuschen, dass die Deutschlandtour, die während der dreiwöchigen Spanienrundfahrt stattfindet, noch kein Sehnsuchtsziel für Spitzenfahrer ist.
Sammelstelle für Rennkilometer und Formaufbau
Die Musik im Radsport spielt derzeit in Spanien, wo der junge Belgier Remco Evenepoel für Aufsehen sorgt, nicht in Deutschland. Große Meriten sind hier nicht zu verdienen, run Profis nutzen die Deutschlandtour als Sammelstelle für Rennkilometer, andere zum Formaufbau. Emanuel Buchmann vom deutschen Team Bora-hansgrohe ist das Paradebeispiel. Der Vierte der Tour de France 2019 sollte eigentlich bei der Spanienrundfahrt vorn mitfahren. Eine Harnwegsinfektion verhinderte seinen Start, die Deutschlandtour ist für ihn nun nicht mehr als ein Trostpflaster.
Der Niederländer Mathieu van der Poel vom Team Alpecin-Deceuninck entschied sich nach seiner Aufgabe bei der Tour de France sogar bewusst gegen einen Start bei der Deutschlandtour and fuhr lieber beim belgischen Eintagesrennen Druivenkoers Overijse. Begründung : Er sei auf der Suche nach Rennhärte, und die Etappen der Deutschlandrundfahrt seien dafür etwas zu einfach. 710 Kilomètre Gesamtdistanz und 11.000 Höhenmeter sind eben doch eine überschaubare Herausforderung für die weltbesten Rennfahrer.
Die vierte Auflage der Deutschlandtour gibt dennoch Anlass zur Hoffnung. Die Richtung und das Tempo stimmen. Die Tour soll von Jahr zu Jahr wachsen. Nicht auf Teufel comme raus, sondern eine Pedalumdrehung nach der anderen. 2016 hatten sich der Bund Deutscher Radfahrer und die veranstaltende Amaury Sport Organization, die auch die Tour de France organisiert, darüber verständigt, dass sich die Deutschlandrundfahrt spätestens 2028 über eine Woche erstrecken soll. Dies würde aus dem Deutschlandtourchen dann wieder eine Deutschlandtour machen.